Es gibt keine Welt

[Inge]

Verhungernde Kinder, enthauptete Geiseln, Taschendiebe auf dem elektrischen ‌Stuhl, der sterbenskranke dreißigjährige Freund, Vergewaltigung, Rassismus, ethnische Säuberung, Völkermord: alles Bilder, in denen Schuld, Angst, die Ohnmacht der Vergeblichkeit und die Ausweglosigkeit der Hoffnung auf die Spitze getrieben sind.
Dazu gehört auch das Bild vom Kursler, der nach zwanzig Jahren eifrigen Übens zu dem Fazit kommt: hat nichts gebracht, null Frieden, null SELBST-Erfahrung, null Freude, null Hilfe durch die Verbindung mit Jesus.

Was sag' ich all denen?
Mit welcher Stimme red' ich zu ihnen, denk' ich an sie? Hab' ich einen Rat? Ich weiß noch nicht. Glaub' ich, dass ER unsere ANTWORT IST, auf jede Frage?
Ich will es glauben, auch wenn ich im Einzelfall mal wieder von den Bildern der Vergeblichkeit überwältigt bin. Was mach' ich also?
Darum bitten, mich SEINER SICHT anschließen zu können.
Hilft das?
Welche Erfahrungen hab' ich damit gemacht?
Hilft es nur mir oder auch dem verhungernden Kind?
Ist es Zynismus, zu glauben, dass es auch dem Kind hilft?

Kann ich glauben, dass jeder Augenblick, in dem ich bereit bin, dem Schuld- und Todesglauben durch eine solche „kleine Bereitwilligkeit“ die Gefolgschaft zu versagen, die GANZE HILFE IST?
War mir der Sterbende nicht eine Hilfe, weil er mich zur Vergebung des Gedankens an Ausweglosigkeit gebracht hat?
Hat ihm das auch geholfen?

Welche konkreten Erfahrungen der Erlösung vom Gedanken der Getrenntheit hast du? Und wenn du sagst: „keine!!!“, glaubst du dir das?

Wow, Michael, das ist starker Tobak. Die Gedanken, die du hier aufzeichnest, gehen mir auch oft durch das Gemüt, und ich habe keine Antwort. Wenn ich das nun so konzentriert niedergeschrieben sehe und lese, wird mir's ganz elend. Ich weiss es nicht, weiss nichts -- was wollen wir überhaupt  so genau wissen? Mit LIEBE anfassen, wo's not tut, und alles Urteilen weglassen?  Was ist der Sinn dieses Jammertals? Die (Kurs-)Antworten, die wir uns immer wieder zusammenbasteln, sind sie wirklich die Antwort? Ich weiss es nicht. Können wir WIRKLICH in Frieden sein angesichts des Leides in dieser Welt? Ich weiss es nicht -- manchmal scheint es zwar so zu sein, aber wem soll das schon WIRKLICH helfen? Wem denn soll die sogenannte Erleuchtung helfen? Wieso ist sie denn so "erstrebenswert"? Um ehrlich zu sein: ich habe keine Ahnung...von nichts, rein nichts. Und die ultimate Frage: wieso sind wir überhaupt alle da, in dieser Welt? 

Ich bin nun lieber still.
Danke Michael, dass du dies alles aufgeworfen hast.

[Gregor]

[Gast]

Meine Erfahrung ist, dass ich andere nur wirklich sehen kann, wenn ich meine Projektionen bzw. Urteile zurücknehme. Und das sehe ich als meine einzige Aufgabe ("undoing the ego").

Und selbst das kannst du nicht, denn das Ego nimmt keine Urteile und Projektionen zurück - was immer du da "wirklich sehen" magst. Du hast dich längst für das Ego entschieden und tust es immer wieder, in jedem Augenblick, sonst gäbe es keinen Kurs. Versuchst du nun, eine Position "über dem Schlachtfeld" einzunehmen, um eine Wahl zu haben, gibst du dem Ego die Macht über etwas, was es nie hatte.

Gregor

Mal ehrlich, mir ist das alles etwas zu kompliziert. Heißt es im Kurs nicht immer wieder, es geht  nur darum, eine Wahl zu treffen?
Für Gott, den Himmel, den heiligen Geist, die Liebe........

[Gregor]

Dazu gehört auch das Bild vom Kursler, der nach zwanzig Jahren eifrigen Übens zu dem Fazit kommt: hat nichts gebracht, null Frieden, null SELBST-Erfahrung, null Freude, null Hilfe durch die Verbindung mit Jesus.

Das ist wohl ein "stilisiertes Idealbild", denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jemand jahre- oder gar jahrzehntelang ohne jedes "Ergebnis" des Friedens (oder was auch immer), den er fälschlicherweise seinem Bemühen zuschreibt, mit dem Kurs oder einer anderen spirituellen Richtung beschäftigt.

Auf einer Seite über Soto Zen (das sich mit dem reinen Sitzen, Zazen, ohne irgendein Brimborium befasst) fand ich diese Sätze: "Zazen dient nicht dazu, Ruhe, Stille, oder einen besonderen Zustand des Geistes zu erreichen. Es ist einfach sich gewahr sein von Augenblick zu Augenblick und bringt keinerlei Gewinn oder Nutzen." Wie sagte doch der ehemalige Abt des Klosters Antaiji: "Zazen bringt nichts!"

Genau. Vergebung bringt auch nichts. Wäre schlimm, wenn es anders wäre, denn dann könnte ich nicht an die Wirksamkeit der Vergebung glauben.

Welche konkreten Erfahrungen der Erlösung vom Gedanken der Getrenntheit hast du? Und wenn du sagst: „keine!!!“, glaubst du dir das?

Wer kann da tatsächlich mit "keine!" antworten? Das fände ich, wie oben gesagt, völlig unglaubwürdig. Lese ich mir deine Schilderung noch einmal unter dem Aspekt durch, dass ich dem eine Voraussetzung voranstelle, nämlich die Erfahrung von Momenten und Zeitabschnitten des tiefen Friedens: Was dann, im Zustand der tiefen Verzweiflung und Aussichtslosigkeit, der Wirkungslosigkeit all dessen, was der Kurs anbietet?

Naja, Zeitweise hat die Antwort schon gegeben. Meine Zustimmung zu seinen Antworten wird mir langsam unheimlich.  

Gregor

[Gregor]

Meine Erfahrung ist, dass ich andere nur wirklich sehen kann, wenn ich meine Projektionen bzw. Urteile zurücknehme. Und das sehe ich als meine einzige Aufgabe ("undoing the ego").

Und selbst das kannst du nicht, denn das Ego nimmt keine Urteile und Projektionen zurück - was immer du da "wirklich sehen" magst. Du hast dich längst für das Ego entschieden und tust es immer wieder, in jedem Augenblick, sonst gäbe es keinen Kurs. Versuchst du nun, eine Position "über dem Schlachtfeld" einzunehmen, um eine Wahl zu haben, gibst du dem Ego die Macht über etwas, was es nie hatte.

Gregor

Mal ehrlich, mir ist das alles etwas zu kompliziert. Heißt es im Kurs nicht immer wieder, es geht  nur darum, eine Wahl zu treffen?
Für Gott, den Himmel, den heiligen Geist, die Liebe........

Extreme Einfachheit erscheint dem Ego, das glaubt, den Kurs verstanden und verinnerlicht zu haben, immer kompliziert.

Und der Kurs ist extrem einfach.

Gregor

[zeitwiese]

Meine Erfahrung ist, dass ich andere nur wirklich sehen kann, wenn ich meine Projektionen bzw. Urteile zurücknehme. Und das sehe ich als meine einzige Aufgabe ("undoing the ego").

Und selbst das kannst du nicht, denn das Ego nimmt keine Urteile und Projektionen zurück - was immer du da "wirklich sehen" magst. Du hast dich längst für das Ego entschieden und tust es immer wieder, in jedem Augenblick, sonst gäbe es keinen Kurs. Versuchst du nun, eine Position "über dem Schlachtfeld" einzunehmen, um eine Wahl zu haben, gibst du dem Ego die Macht über etwas, was es nie hatte.

Gregor

Mal ehrlich, mir ist das alles etwas zu kompliziert. Heißt es im Kurs nicht immer wieder, es geht  nur darum, eine Wahl zu treffen?
Für Gott, den Himmel, den heiligen Geist, die Liebe........

Nur eine Wahl treffen...ja, aber wer glaubt das schon, dass deine Wahrnehmung nur deine Wahl ist.

[Gast MM]

Aha, dann läuft letztlich alles drauf naus: „die Vergebung schaut nur und ist still und tut ganz ruhig gar nichts“ ;)
Die Vergebung „tut“ sich auch nicht entscheiden...Braucht sie ja auch nicht.

[Michael*]

Wer kann da tatsächlich mit "keine!" antworten? Das fände ich, wie oben gesagt, völlig unglaubwürdig. Lese ich mir deine Schilderung noch einmal unter dem Aspekt durch, dass ich dem eine Voraussetzung voranstelle, nämlich die Erfahrung von Momenten und Zeitabschnitten des tiefen Friedens: Was dann, im Zustand der tiefen Verzweiflung und Aussichtslosigkeit, der Wirkungslosigkeit all dessen, was der Kurs anbietet?

Also ich kann nur von meinem Weg aus sprechen, und da sieht das so aus:

Ich erlebe spirituelle Entwicklung als einen Prozess des allmählichen Wachsens, dabei sind die Vergebungslektionen immer sehr persönlich, individuell, aber jedes auch noch so leise Erlebnis der Ungetrenntheit nährt das Wachsen des Vertrauens in eine generelle Übertragbarkeit der Vergebung.

An der Wurzel meiner gesamten "normalen" Wahrnehmung wartet jedoch die Angst, so wie bei jedem von uns. Jede meiner speziellen Lektionen, die ich lerne, befreit Angst und lässt die Kraft des Vertrauens zurück. Aber die Angst umkreist mich wie jeden, der losgegangen ist, in konzentrischen Kreisen, bis sie ganz geheilt ist. Praktisch gesehen komme ich also immer wieder in einen scheinbaren "Rückfall", denn in jedem Moment, wenn ich der Angst gehorche, scheint alles Vergeben umsonst gewesen zu sein (die Angst, der Schuldgedanke "siegt"). Und mit diesem "Pesthauch der Vergeblichkeit" lernt man mit der Zeit umzugehen.

Also meine Antwort auf das "was dann?": Ich täusche mich mit meinem "umsonst": nichts, aber auch gar nichts unserer Vergebensbemühungen (und das sind anfangs ja wirklich eher tappsige Bemühungen) geht verloren. Die KRAFT ist für jeden immer DA, aber mein Vertrauen in SIE ist da in dem Maße, in dem ich Angst befreit habe. Und dieses in mir angesammelte Vertrauen hilft mir, mich immer leichter aus den "Rückfällen", dem Erleben von Aussichtslosigkeit und Ohnmacht, wieder in die richtige Richtung zu drehen. Und ebenfalls ganz zweifellos wird es zunehmend möglich, den heftigeren Egoattacken, den verzweifelteren Formen der Angst mit Vergebung und Liebe zu antworten.

Es geht um Angst oder Liebe, und um echtes Üben. Das Schöne ist: es übt tatsächlich!

Schönes Wochenende euch allen, nicht das Üben vergessen  !

Michael

[G.D.]

Die KRAFT ist für jeden immer DA, aber mein Vertrauen in SIE ist da in dem Maße, in dem ich Angst befreit habe.

Also, ich kann die Angst nicht befreien.

[Gast MM]

Also ich kann nur von meinem Weg aus sprechen, und da sieht das so aus:

Ich erlebe spirituelle Entwicklung als einen Prozess des allmählichen Wachsens, dabei sind die Vergebungslektionen immer sehr persönlich, individuell, aber jedes auch noch so leise Erlebnis der Ungetrenntheit nährt das Wachsen des Vertrauens in eine generelle Übertragbarkeit der Vergebung.

An der Wurzel meiner gesamten "normalen" Wahrnehmung wartet jedoch die Angst, so wie bei jedem von uns. Jede meiner speziellen Lektionen, die ich lerne, befreit Angst und lässt die Kraft des Vertrauens zurück. Aber die Angst umkreist mich wie jeden, der losgegangen ist, in konzentrischen Kreisen, bis sie ganz geheilt ist. Praktisch gesehen komme ich also immer wieder in einen scheinbaren "Rückfall", denn in jedem Moment, wenn ich der Angst gehorche, scheint alles Vergeben umsonst gewesen zu sein (die Angst, der Schuldgedanke "siegt"). Und mit diesem "Pesthauch der Vergeblichkeit" lernt man mit der Zeit umzugehen.

Also meine Antwort auf das "was dann?": Ich täusche mich mit meinem "umsonst": nichts, aber auch gar nichts unserer Vergebensbemühungen (und das sind anfangs ja wirklich eher tappsige Bemühungen) geht verloren. Die KRAFT ist für jeden immer DA, aber mein Vertrauen in SIE ist da in dem Maße, in dem ich Angst befreit habe. Und dieses in mir angesammelte Vertrauen hilft mir, mich immer leichter aus den "Rückfällen", dem Erleben von Aussichtslosigkeit und Ohnmacht, wieder in die richtige Richtung zu drehen. Und ebenfalls ganz zweifellos wird es zunehmend möglich, den heftigeren Egoattacken, den verzweifelteren Formen der Angst mit Vergebung und Liebe zu antworten.

Es geht um Angst oder Liebe, und um echtes Üben. Das Schöne ist: es übt tatsächlich!


Michael

Oh, DAS kann ich teilweise nachvollziehen.
Was nicht heißen soll, dass es genauso bei mir ist ;).
Ich interpretiere Gregors Beiträge so (aus MEINER Sicht,- kann also völlig daneben lieben - jetzt hab ich schon lieben geschrieben - die liebe Güte!, hihi, also liegen)- Durch den Kurs wird der zersplitterte Geist erst mal zentriert auf Jesus und die Vergebung. Nach dem Motto: ein ungeschulter Geist vermag gar nichts. Das, worauf der Geist gebündelt und ausgerichtet wird, ist, übrigens wie der Kurs selbst auch, immer noch in der Illusion angesiedelt. Diesen Kniff gibts aber zum Beispiel bei Gurdijeff auch. Er nennt das "künstliches Zentrum" einrichten (oder so ähnlich)...Nun sucht der Geist also nicht mehr in den Millionen von Wegen, auf denen er bisher gesucht hat. Um ne physikalische Metapher zu bemühen: zerstreutes Licht wird gebündelt, ein Laserstrahl ist die Folge. (Mit dem kann man ganz schön viel Nonsens anstellen - gewollt oder ungewollt ; mir ist das selbst einmal in meinem Leben unbewusst passiert. Ich war erschrocken, musste aber ziemlich lachen. Der Typ selbst hat nie wieder ein Wort mit mir gesprochen und ist mir für immer aus dem Weg gegangen.
Dann kommt wahrscheinlich eine "lange Phase des Ausruhens und ins Wanken kommens...." so fängt es doch im Handbuch für Lehrer an, nicht wahr? Vielleicht ist das die Phase, wo man in tiefste Verzweiflung geraten kann, weil immer mehr gemerkt wird: ich hab nix gewusst, ich hab nix getan, ich weiß nix, ich hab mich in ner Pseudosicherheit gewogen, ich hab auf ne Illusion gesetzt (die Vergebung, WEIL ich gedacht habe, ich vergebe) und JETZT gehts erst richtig los?!
Oder man macht es sich in der Phase als erleuchtetes Ego gemütlich?
Oder man wird oder bleibt Alkoholiker, wie 667 mal angeregt hat. ;))))
Staubtrockene Grüße und einen schönen ersten Advent.