Zu Schuld paßt Vergebung!

[Susanne]

Hippias minor schrieb:
Ich denke, das ist es, was einen starken und aus meiner Sicht nicht unverständlichen und unberechtigten Widerstand gegen die Lehre des Kurses hervorrufen kann: Weniger die Nichtexistenz dieser Welt als ihre völlige Irrelevanz, bzw. die Irrelevanz meines/deines Handelns in ihr.

Da schließt doch alles ineinander. Wie kann die Welt oder dein Handeln denn relevant sein, wenn sie gar nicht existiert, genausowenig wie das existiert, was wir normalerweise als unser "ich" annehmen?

Für mich persönlich ist es so, daß ich vielleicht noch aktzeptieren kann, daß die Welt nicht existiert - aber, daß "ich" nicht existiere, da hakts aus

Johannes schrieb:
Deswegen legt es der Kurs besonders im Übungsbuch darauf an, dass wir beginnen, die Alternative - die andere SICHT - zu spüren, zu erahnen.
Denn sonst können wir den Widerstand gegen den Kurs nicht aufgeben.

Die Übungen haben schon viel in mir bewegt. Ich konnte Frieden erfahren, ich konnte Führung erleben, ich konnte Vertrauen erfahren usw. Aber, daß dies alles hier inclusive mir selbst nicht existiert, konnte ich tatsächlich noch nicht erfahren.
Ich scheine da ein schwieriger Fall zu sein
Momentan bin ich wieder mal bockig und ärgerlich und ärgerlich über mein bockig und ärgerlich sein
Und dann fällt mir grade wieder ein, was ich mal in einer ähnlichen Situation als Antwort im Kurs gefunden habe: Es macht keinen Sinn das anzuzweifeln, was du bereits als wahr erfahren hast (nur sinngemäß zitiert, weiß nicht wo's steht)

[Zeitweise]

Für mich persönlich ist es so, daß ich vielleicht noch aktzeptieren kann, daß die Welt nicht existiert - aber, daß "ich" nicht existiere, da hakts aus

Du existierst ohne Zweifel, ganz ohne Zweifel. Und deine Existenz hat keinen Anfang und was noch besser ist, sie hat kein Ende.

ER ist immer bei dir. ER geht überall mit dir. ER verlässt dich nie, nie, nie ganz egal was du tust oder getan hast. ER ist die ganze Wirklichkeit. Nirgendwo wirst du je etwas anderes finden als IHN.

Lieber Gruß von Zeitweise

[Johannes]

Für mich persönlich ist es so, daß ich vielleicht noch akzeptieren kann, daß die Welt nicht existiert - aber, daß "ich" nicht existiere, da hakts aus

Zeitweises Antwort hat dich vielleicht schon etwas beruhigt. Letztendlich ist es so, wie er das ausgedrückt hat.
Doch hast du natürlich auch Recht:
Das, was du als dich (Susanne/Körper) erlebst, ist tatsächlich so unwirklich wie eine Figur in einem Traum. Im Traum erlebst du ja viele Figuren, doch sind sie alle nur Inhalt deines Traums und nicht wirklich.
Du aber bist der Träumer, der diesen ganzen Traum mit all seinen Figuren und Geschichten träumt. Und dieser Träumer ist wirklich. ER ist GOTTES SOHN, wie ER IHN erschaffen hat.
Freu dich drauf! Freu dich auf's Aufwachen, denn jeder, der träumt, wacht auch wieder auf.

Und wenn du wach bist, wirst du wissen, dass dein Leben ewig ist. Dass DU ewig bist.
Der Kurs bringt dich zum Erwachen. Gemeinsam mit uns allen - denn auch hinter allen Figuren im Traum steht der erhabene TRÄUMER, DER wir alle sind.

[Zeitweise]

Du darfst vertrauen. ER hält dich.
Etwas anderes zu glauben ist die Hölle.

[Gregor]

... aber der Verdacht bleibt, daß man es sich damit einfach nur leicht macht.

Der Verdacht ist hier und da durchaus begründet. Der sinnige Spruch "Ist ja alles Illusion und meine Handlungen sind nicht relevant" kann durchaus für typische egozentrische Zwecke eingesetzt werden.

Man kann mit einem Hammer anderen Leuten auf dem Kopf herumklopfen statt Nägel damit einzuschlagen. Und man kann den Kurs als "Waffe" benutzen, statt ihn auf sich selbst zu beziehen. Man kann auch auf der Grundlage der Bibel Kriege führen und Leute anzünden.

Der Verdacht kann sich also immer nur auf dich selbst beziehen.

Gregor

[Erdi]

... aber der Verdacht bleibt, daß man es sich damit einfach nur leicht macht.

Der Verdacht ist hier und da durchaus begründet. Der sinnige Spruch "Ist ja alles Illusion und meine Handlungen sind nicht relevant" kann durchaus für typische egozentrische Zwecke eingesetzt werden.

Man kann mit einem Hammer anderen Leuten auf dem Kopf herumklopfen statt Nägel damit einzuschlagen. Und man kann den Kurs als "Waffe" benutzen, statt ihn auf sich selbst zu beziehen. Man kann auch auf der Grundlage der Bibel Kriege führen und Leute anzünden.

Der Verdacht kann sich also immer nur auf dich selbst beziehen.

Gregor

Das sehe ich genauso.
Erdi

[Hippias minor]

Wenn die Welt nicht existiert, kann sie auch nicht relevant sein. Insofern komme ich von der These der Nicht-Existenz wieder zur Irrelevanz bzw. das, was an der Nicht-Existenz der Welt das "Anstößige" ist, ist die darin liegende Irrelevanz all dessen, was wir für wahr, wichtig, gut - oder unrecht, böse, falsch etc. halten.

Ich zucke nicht gleich zusammen, wenn mir jemand sagt: "Die Welt existiert nicht" oder "Du bist nicht dein Körper" - als philosophische Naschkatze bin ich da wohl etwas verwöhnt. Wenn ich mir den Ton meiner Selbstgespräche erlaube: Die Sünde sitzt tiefer und läßt sich so nicht aus ihrer Position rütteln. Da legt sich der Kater eher auf den Rücken und streckt alle Viere genüßlich von sich. Für mich, auf der Ebene des Lebens oder meiner Existenz, hat das Böse eine, Verlegenheitsausdruck: primäre Realität, es ist etwas, mit dem man rechnen muß und umzugehen hat. Bei Gott liegen die Dinge anders. Kierkegaard würde fragen, was das Existenzmedium ist bzw. welche Begriffe das Existenzmedium bestimmen. Dem Sündenbewußtsein, für Kierkegaard das höchste Existenzmedium, stellt der Kurs - so scheint es zuweilen - ein wiedergefundenes Wissen um die Unschuld entgegen. Ich bin mir aber noch immer nicht im klaren darüber, wie weit beides wirklich auseinander liegt oder ob hier nicht die von Inge benannte "level confusion" wieder einmal die Sache trifft, wenn man es gegeneinander stellt. Indem ich täglich in dieser Welt aufwache, ist ja vom Kurs her klar, daß ich noch nicht bei und in Gott bin bzw. mich als getrennt erfahre, deshalb Kurs. Insofern kann ich die Übungen und all diese Stellen wie: Du hast diesen Alptraum gemacht usw. als ein Äquivalent zum Memento des christlichen Sündenbewußtseins lesen. Und so dauert der Kurs das ganze Leben in dieser Welt - weil in dieser Welt leben heißt: den Kurs noch nicht ganz gelernt zu haben. Das Problem bei den bloß theoretischen Angelegenheiten ist, daß sich ein böser Wille mit aller Reflexionskraft zu paaren weiß - man kommt nicht mit dem Denken oder mit Einsichten aus dieser Hölle, meine ich, die Wandlung mag so vielleicht ansetzen, aber was "befreien" kann ist nur eine Änderung, Läuterung des Wollens selbst (wenn das nicht im Kurs steht, dann ist der Kurs falsch - huch, was habe ich da gesagt) - Der Blick oder die Hand Gottes, wie ich sie mir vorstelle, wird das Herz des Menschen wandeln und das ist die Änderung des Sinnes, der Richtung.

Die Formulierungen Nicht-Existenz/Irrelevanz sind für mich austauschbar: Die Provokation für den gesunden Menschenverstand ist die der moralischen Bedeutungslosigkeit der Welt.

Zum Beispiel erstaunlich guter Sex, von dem 667 berichtet, oder ein Baum oder ein kleines, gelbes Vögelchen (das wären eher so die Hippias minor-Beispiele), würden in gewisser Weise nichts verlieren, wenn man ihnen die Realität nähme, sie als "nur geträumt" ansähe. Auch wenn das so nicht ganz stimmt: Das Moralische hat eine ganz andere Empfindlichkeit. Oder hier zeigt sich das Verlangen nach Realität (ohne das niemand den Kurs studieren und niemand Sex haben würde) mit einem anderen "Geschmack", für den man im Grunde keine Beispiele geben kann, weil es ein rein inneres Gefühl ist. Nur in Gedanken eine Tat begangen zu haben, ist grundlegend etwas anderes als die Wirklichkeit einer moralischen Situation. Wenn ich dazu sage: "nur geträumt", ändert sich alles, weil dann alles nichts war - ohne Relevanz eben. Daß reale Wollust etwas anderes ist als geträumte, würde ich darauf zurückführen, daß eben auch diese Hingabe an das Fleisch eine moralische Situation ist, so untrennbar ist das Gefühl von Sein, von Realität, an die moralische Dimension geknüpft. (Perversion zehrt davon.) Deswegen meine ich, daß die Neueinschätzung der "moralischen Situationen" in der Welt, nämlich die Leugnung, daß es solche überhaupt gibt, ein zentraler Punkt ist, wenn es darum geht: Wie wirkt der Gedanke: "Diese Welt existiert nicht" auf mich, was zieht mich daran an, warum fühle ich mich davon abgestoßen, was verteidige ich, wenn ich diesen Gedanken zurückweise, was greife ich an usw. - Was ich aufgebe (da redet das Übungsbuch nicht lange um den heißen Brei herum) ist die Bedeutung, die ich meinem Leben und allem in meinem Leben gegeben habe. Und dieses Ich ist nicht Hippias minor als irgendein Körper, dieses Ich ist das moralische Subjekt selbst, in mir, in dir. Ist das das Ego, das der Kurs meint? Ist das ein individuelles, das gleichsam entmachtet wird, oder will uns der Kurs zu etwas erheben, was man auch moralisches Subjekt nennen könnte?

Dieses moralische Subjekt muß sich nicht dadurch auszeichnen, daß es im fröhlich-grausigen Ego-Planschbecken andauernd moralische Urteile fällt, schuldig spricht usw. - aber wenn "Richtet nicht" oder "Vergebung" bedeutet, überhaupt keine moralische Situation mehr in irgendetwas zu sehen, wird mir, dem Kind Gottes, schon etwas mulmig.

[Gregor]

Indem ich täglich in dieser Welt aufwache, ist ja vom Kurs her klar, daß ich noch nicht bei und in Gott bin bzw. mich als getrennt erfahre, deshalb Kurs.
...
Und so dauert der Kurs das ganze Leben in dieser Welt - weil in dieser Welt leben heißt: den Kurs noch nicht ganz gelernt zu haben.

Dem ist nicht so. Der Kurs bezieht sich ausschließlich auf die Erscheinungen der Welt und kann nur innerhalb der Welt gelernt werden, d.h. das Lernziel wird in der Welt erreicht, wenn es auch nicht von der Welt ist.

... aber was "befreien" kann ist nur eine Änderung, Läuterung des Wollens selbst

Das ist das wesentliche Ziel des Kurses, die Voraussetzung, um IHN wirken zu lassen.

Das Moralische hat eine ganz andere Empfindlichkeit. Oder hier zeigt sich das Verlangen nach Realität (ohne das niemand den Kurs studieren und niemand Sex haben würde) mit einem anderen "Geschmack", für den man im Grunde keine Beispiele geben kann, weil es ein rein inneres Gefühl ist.

Diese Moral ist erforderlich, wenn es eine Vielzahl an realen Entscheidungen zu treffen gilt, um den "Lebensweg" an einem "richtigen" Maßstab auszurichten. Gibt es aber nur eine einzige wirkliche Entscheidung, braucht es keine Moral bzw. die Moral ist offensichtlich und recht banal. Ist die Entscheidung getroffen - welchen Zweck soll dann eine Moral haben?

Moral ist sehr kulturspezifisch. Die Moral gibt es nicht. Auch der Versuch, eine allgemein gültige Moral aufzubauen (z.B. auf der Basis von "Menschenrechten" oder einem zutiefst als allgemein gültig anerkanntem Empfinden von "Gut" und "Böse") ist eine variable Krücke. In Japan sind Zen-Meister anerkannt als amoralisch (nicht unmoralisch). Nutzen sie Mittel, die in den Augen der Gesellschaft gegen moralische Grundsätze verstoßen, jedoch zur Erweckung des Schülers in der gegebenen Situation erforderlich waren, wird sie niemand verurteilen.

In Deutschland wäre das nicht möglich, hier müsste ein Gremium entscheiden, was in der gegebenen Situation angemessen ist und ob es dem formulierten Regelkatalog entspricht. Es wäre nicht vorstellbar, dass irgend ein Fuzzi aus dem Kästchen ausbricht oder darüber steht. Zen-Meister entsprechen auch nicht der EU-Verordnung über rechteckige Erleuchtung.

Nur in Gedanken eine Tat begangen zu haben, ist grundlegend etwas anderes als die Wirklichkeit einer moralischen Situation.

Der Kurs macht da keinen Unterschied.

... aber wenn "Richtet nicht" oder "Vergebung" bedeutet, überhaupt keine moralische Situation mehr in irgendetwas zu sehen, wird mir, dem Kind Gottes, schon etwas mulmig.

Bei dem Versuch, das sich das liebste Spielzeug wegnehmen zu lassen, das die reale Welt und die reale Sünde für ihre Existenz brauchen, kann einem durchaus mulmig werden. Auch, wenn das Spielzeug eigentlich kein Spielzeug ist, sondern ein scharfes Messer, und man sich andauernd schneidet. Schließlich weiß man ja nicht, was man stattdessen bekommt. Tja, und Vertrauen will gelernt werden.

Gregor

[Hippias minor]

Moral ist sehr kulturspezifisch. Die Moral gibt es nicht. Auch der Versuch, eine allgemein gültige Moral aufzubauen (z.B. auf der Basis von "Menschenrechten" oder einem zutiefst als allgemein gültig anerkanntem Empfinden von "Gut" und "Böse") ist eine variable Krücke. In Japan sind Zen-Meister anerkannt als amoralisch (nicht unmoralisch). Nutzen sie Mittel, die in den Augen der Gesellschaft gegen moralische Grundsätze verstoßen, jedoch zur Erweckung des Schülers in der gegebenen Situation erforderlich waren, wird sie niemand verurteilen.

Ich hatte - natürlich kannst Du leugnen, daß es das gebe - die Moral im Auge, nichts kulturspezifisches. Ich benutze das Wort Moral immer in diesem Sinne, fürs Ethnische oder Regionalethos würde ich bevorzugt Worte wie Sitte oder Brauch verwenden. Aber "Moral" ist immer mit diesem Beiklang von Das-gehört-sich-so, Trag-ein-Kopftuch, Drei-Rosenkränze, Hände-waschen behaftet. Auf den Namen gebracht, meinte ich Kants Sittengesetz.

Amoralische Zen-Geschichten kenn ich einige: sehr witzig! Hast Du Dich mal an Bi Yän Lü Niederschrift von der smaragdenen Felswand versucht? Das finde ich wirklich abgedreht. Erst ein "Beispiel", das man nicht versteht, und dann eine "Erläuterung", die man noch viel weniger versteht. Solcher Geistigkeit kann man mit der Moral der Aufklärung nicht recht beikommen - und dem immerhin zugänglicheren Kurs wohl auch nicht - mir ging es auch darum, eine Gegenposition, die mir glaub ich noch näher steht als der Kurs oder wo ich merke, daß meine Kritik sich meldet, nochmal etwas mehr ins Licht zu rücken, und natürlich darf das dann keine individuelle und kulturkreisspezifische Moral sein, in ihrem Selbstverständnis, sondern muß - wie der Kurs - in die Vollen gehen und transzendentale bzw. apriorische Gültigkeit beanspruchen, um nicht gleich wie ein Papppkamerad zusammenzuklappen.

Hippias minor

[Gregor]

Ich hatte - natürlich kannst Du leugnen, daß es das gebe - die Moral im Auge, nichts kulturspezifisches.

Die Kant'schen Sittengesetze beziehen sich auf das "Miteinander" und stellen dabei die "Motivation" oder das Wollen, den Zweck in den Vordergrund. Es ist Moralphilosophie (Wikipedia) (=Ethik), nicht Moral (Wikipedia) .

Gebe ich einem Bettler einen Euro, ist das per se noch nicht moralisch "gut", entscheidend ist nach Kant, warum ich es tue. Dieses "Warum" entscheidet dann, ob es ein moralisches Gesetz sein kann, nach dem ich handle.

Der Kurs steht mit einer solchen Moral nicht im Widerspruch, da es sich um zwei völlig unterschiedliche Domänen handelt. Denn eine solche Moral ist nur dann notwendig, wenn ich ein Menschenbild der Individuen vertrete und glaube, andere verletzen oder selbst verletzt werden zu können. Die "Moral" des Kurses entsteht auf natürliche Weise, wenn ich nicht mehr im Wege stehe, und bedarf keiner künstlichen Gesetze. In dem Sinne ist der Kurs "amoralisch".

Gregor