Glauben

[Inge]

Heute Morgen kam mir dieses Zitat von J. Krishnamurti über den Weg, das mir zu denken gibt:

"Die ständige Behauptung des Glaubens ist ein Anzeichen für Angst."

[The constant assertion of belief is an indication of fear.]

Obwohl es irgendwo im Kurs heisst, dass wir seine Lehre nicht zu glauben haben, jedoch die Anwendung der Lektionen zu Verstehen durch das Erleben führen, frage ich mich nun, ob seine Metaphysik (so wie im Textbuch dargestellt) nicht mit Glauben zusammenhängt? Was darin steht, ist doch auch eine Glaubenssache -- glaube ich das oder die vielen andern Glaubensrichtungen, die uns die Welt serviert?

Wenn es heisst "Es gibt nichts zu fürchtren" (Lektion 48) -- ist das nicht auch ein Glaubenssatz?

Hinzufügen möchte ich noch folgendes. Ich habe das ergreifende Video von Hesses Klein & Wagner https://www.youtube.com/watch?v=15_eAedDPTo an einige meiner deutschen Freunde und Verwandten geschickt. Einer der Empfänger war schockiert und verwies mich streng auf eine paar Bibelsprüche (die ich nicht kenne, aber vermutlich mit Selbstmord zu tun haben). Sie also glaubt, was in der Bibel steht; ich hingegen "glaube", was der Hermann Hesse sagt, weil ich das selbst schon erlebt habe. Was nun? Hängt man sich nicht an Glauben, von dem man glaubt, er bringe uns Trost? 

Hingegen, wenn man gänzlich im Jetzt lebt, wo alles neutral ist, ist Glaube irrelevant -- sich fallenlassen ins Ungewisse (ins Einverstandensein), das Hesse so wundervoll beschrieben hat. Ich finde, den Auszug kann man auf verschiedenen Ebenen verstehen: Selbstmord oder Wiedergeburt (Wiedererwachung)......

Vermutlich befinde ich mich da gerade auf der sehr eingenebelten Ebenen-Verwechslungs-Bahn? Bin arg verwirrt. 

[Monika]

Der Punkt ist: Krishnamurti würde wohl grundsätzlich ablehnen, „was darin steht“, wenn er es denn gelesen hätte. Er hat in seinen Schriften eigentlich immer klargemacht, dass Worte wie „Gott“, „Heiliger Geist“ oder eben auch „Glauben“ seiner Ansicht nach grundsätzlich irrelevant sind. Ich habe mich schon früher gewundert, dass er hier hin und wieder zitiert wird. Das erinnert mich ein wenig an eine Diskussion, die wir einmal zum Thema Stephen Hawking hatten. Du, Inge, meintest, mit seinem Ausspruch, dass Gott nichts mit der Entstehung der Welt zu tun habe, käme die Wissenschaft der Spiritualität immer näher. Doch – wie er inzwischen ja nun tatsächlich überdeutlich dargelegt hat, wollte er damit einfach nur sagen, dass es Gott nicht gibt. In einem Gespräch mit Renée Weber (Alles Leben ist eins, 1986) sagt er: „Besitzt das Universum einen Rand, gibt es auch Gott.“ Im Rahmen des selben Gesprächszyklus’ lehnt Krishnamurti es ab, mit der Herausgeberin über methaphysische Themen zu sprechen, weil er sich fragt, was es denn für einen Sinn habe, über solche Themen zu reden, wenn die Welt in Flammen stehe, die Menschen weinten und unbeschreibbar grausam seien. Es gebe nur Tatsachen und über etwas anderes nachzudenken, sei Luxus (Weber, 1986, S. 305).
 
Tja, manche Menschen glauben eben einfach nicht 😝  So isses halt 😏

[Angelika]

Liebe Inge ,

"es gibt nichts zu fürchten" ist letztlich die Wahrheit, natürlich fürs egolein nicht zu erfassen (meine mich)

kein Glaubenssatz

und die Sache mit dem Glauben, ja anscheinend glaube ich an das wahnsinnige Egodenksystem und wenn ich dann darin stecke glaube ich an keinem Gott oder HG oder ein Selbst.
Und wenn ich dann an was glaube dann eher an Tod, Leiden, Angst und Schmerz, das diese Welt wirklich ist, das ich hier alles verliere und trotzdem die Suche nicht aufgebe.
Kann mir jetzt nicht vorstellen, das dir das weiterhilft...
Wir haben es schon erlebt und nun scheint es futsch zu sein...kreizkruzifix,
ich geh mal wieder zu Gregors Seite und lese mir nochmal durch was er zuletzt gepostet hat, von Alan Watson...
wenn ich den Link finde, soll ich ihn dann einfügen?

Angelika

Ps. Ich hab das von Hesse zum ersten Mal gehört und gesehen und konnte dabei gedanken beobachten die wollten das er gerettet wird:-)

[Gregor]

[Inge]

[Monika]

Es erstaunt mich immer wieder aufs neue, wie leicht und schnell mich gewisse Aussagen, die in der Welt herumschwirren, aus dem Gleichgewicht schmeissen........

Eben! Aber hätte der Ausspruch Dich auch aus dem Gleichgewicht geschmissen, wenn er von irgend einem xbeliebigen Menschen gekommen wäre? Ich meine, die Frage "Was ist Glaube" und "Wie konnte der Krishnamurti sowas nur sagen?" sind ja nun zwei verschiedene Themen. Und - so wunderbar Gregors Zitat ist - Krishnamurti würde auch das wahrscheinlich nicht gefallen. Muß es ja auch nicht. Aber es scheint mir ein grundsätzliches Phänomen zu sein, dass wir (na ja, einige von uns     ) uns manchmal durch "große Namen" verwirren lassen. Ich habe mich selbst schon manchmal dabei beobachtet, dass ich gedacht habe: "Oh, wenn der das sagt, dann ..."  Wenn es sich dabei um einen Menschen gehandelt hat, auf den ich "große Stücke" halte, fand ich das manchmal doch ... nun, halt ein wenig verwirrend. Vertrackte Sache, das  

[Gregor]

wo genau steht das in besagtem  Büchle?

In Psychotherapie, 2.II "Der Platz der Religion in der Psychotherapie". Insgesamt ein sehr lesenswerter Abschnitt.

Gregor

[Gregor]

Und - so wunderbar Gregors Zitat ist - Krishnamurti würde auch das wahrscheinlich nicht gefallen.

Mit Sicherheit nicht. Aber Atheisten und Theisten sind ja nur zwei Seiten einer Medaille. Dazwischen liegen gemütlich die Agnostiker.

Gäbe es die Begrifflichkeiten "Gott", "Erlösung", "Erleuchtung" usw. nicht, hätte Krishnamurti vermutlich gar nichts zu sagen oder müsste sie erfinden.

Aber es scheint mir ein grundsätzliches Phänomen zu sein, dass wir (na ja, einige von uns     ) uns manchmal durch "große Namen" verwirren lassen.

Oh ja, nicht nur "große Namen". Gerade lese ich ein Buch von einem mir eher unbekannten spirituellen Lehrer, also (für mich) gar nicht so "groß", der Name. Aber der Schmöker zeigt, dass er sein Thema jahrzehntelang bis in Tiefen durchdrungen hat, von denen ich noch nicht einmal weiß, dass da Tiefen sind. Auch weicht er nicht ins Mystische aus und überdeckt das "Eine" auch nicht mit den üblichen unverständlichen Phrasen, sondern bedient sich einer positiven Sprache, die ins Herz geht, ohne die Grenze zum Lenor-Gespülten zu überschreiten. Nur mit seinem gefundenen Ergebnis bin ich nicht einverstanden   . Liegt wohl an meiner Aversion gegen "Leere ist Form und Form ist Leere", obwohl seine Herleitung durchaus nachvollziehbar und ausgesprochen einfühlsam ist.

Gregor

[Inge]

wo genau steht das in besagtem  Büchle?

In Psychotherapie, 2.II "Der Platz der Religion in der Psychotherapie". Insgesamt ein sehr lesenswerter Abschnitt.

Gregor

danke vielmals -- hab's gefunden (engl. Version). Muss das Büchle mal wieder lesen -- heutzutage kommt da vermutlich einiges anders bei mir an als damals beim ersten Lesen vor zig Jahren....

[Gast MM]

Und Gregor, wie heißt der?
Du weißt doch, ich brauch was zum Beißen.