30.12.2020, 14:07
Herr Q. goes Aleph!
*
Ich muss euch das erzählen! Eben hab ich mir die Aleph-Session von Manuela Nisha angesehen, und zwar gemeinsam mit Herrn Q., den wir gestern wieder sozusagen notfallmäßig zu Hause aufgenommen haben, nachdem das Heim ein totales Zugangsverbot - auch für ehrenamtliche Betreuer - verhängt hat. In letzter Sekunde konnten wir ihn da noch rausholen.Â
Also, die Session. Herr Q., dass muss man so beschreiben, ist nur noch äußerst eingeschränkt zu einer „normalen“ Kommunikation in der Lage. Ich hab den Versuch gemacht und mein Tablet so aufgebaut, dass wir beide am Frühstückstisch zuschauen konnten.Â
Er hat jedes Wort verstanden, ist eingetaucht in den Bildschirm, als habe er eine gute Freundin aus guten Zeiten wiedererkannt und seine Mimik hat unmissverständlich verraten, dass er jeden Gedankengang von Manuela nachvollzogen und dankbar „Ja“ dazu gesagt hat. Ich kann das wirklich beurteilen, denn diese schweigende Kommunikation, wenn sie denn gelingt, ist auch das Glück des Betreuers.
Manuela hat mit ihrer wunderbaren Selbstehrlichkeit gesprochen, und Ehrlichkeit ist etwas, mit dem man Demenzkranke immer erreicht. Sie hat von einigen persönlichen Erlebnissen berichtet, wo sie zunächst im alten Denken an Besonderheit geglaubt hat und schließlich in die Brüderlichkeit aufgewacht ist. Z.B. ihr Traum von einer Künstlerkarriere, bzw. ihr Bewundern von Künstlern, die es bis nach Hollywood geschafft hatten. Und dann die Einsicht: Das bin alles ich, meine Bilder, meine fehlgeleitete Liebeshoffnung. Und darin hat sie ihr wahres Hollywood gefunden.
Herr Q. hört zu, mit dieser Art totaler Konzentration, die ich von ihm kenne, wenn er ganz bei sich ist, wenn er außerhalb der Demenz steht, wenn sie keine Rolle mehr spielt. Und dann spricht er über seinen Tee (man muss wissen, dass er seit langem nichts mehr toleriert, was ihn selbst oder andere irgendwie hervorhebt, also der eigenen Geburtstag z.B. darf nur gefeiert werden, wenn alle anderen auch Geburtstag haben etc. Das geschieht aus Angst, nicht aus Einsicht in unsere Gleichheit. Das Gefühl, aus der menschlichen Gesellschaft schon längst herausgefallen zu sein, ist in Demenzkranken oft übermächtig, und Herr Q. versucht, sich mit einer Art „Gleichmacherei“ über Wasser zu halten).
Heute aber, noch während Manuela über die wahre Brüderlichkeit spricht, klingt es anders: Herr Q. lobt seinen Früchtetee und betont sehr ausführlich, dass dies das Getränk sei, das speziell ihm zusage, während andere auch gerne Kaffee oder andere Tees zum Frühstück bevorzugten. Dabei schielt er auf Manuela, wie auf eine Verbündete, im geheimen Wissen, dass Unterschiede sein dürfen, eben weil wir im Innersten Eins und Dasselbe sind. Wo ist die Demenz? Hier ist sie gerade nicht!
Danke Manuela, und danke euch, falls ihr das lest und in euren Herzen bewegt. Da ist die ganze frohe Botschaft für mich drin!
Es grüßt
Herr Q. und Michael
*
Ich muss euch das erzählen! Eben hab ich mir die Aleph-Session von Manuela Nisha angesehen, und zwar gemeinsam mit Herrn Q., den wir gestern wieder sozusagen notfallmäßig zu Hause aufgenommen haben, nachdem das Heim ein totales Zugangsverbot - auch für ehrenamtliche Betreuer - verhängt hat. In letzter Sekunde konnten wir ihn da noch rausholen.Â
Also, die Session. Herr Q., dass muss man so beschreiben, ist nur noch äußerst eingeschränkt zu einer „normalen“ Kommunikation in der Lage. Ich hab den Versuch gemacht und mein Tablet so aufgebaut, dass wir beide am Frühstückstisch zuschauen konnten.Â
Er hat jedes Wort verstanden, ist eingetaucht in den Bildschirm, als habe er eine gute Freundin aus guten Zeiten wiedererkannt und seine Mimik hat unmissverständlich verraten, dass er jeden Gedankengang von Manuela nachvollzogen und dankbar „Ja“ dazu gesagt hat. Ich kann das wirklich beurteilen, denn diese schweigende Kommunikation, wenn sie denn gelingt, ist auch das Glück des Betreuers.
Manuela hat mit ihrer wunderbaren Selbstehrlichkeit gesprochen, und Ehrlichkeit ist etwas, mit dem man Demenzkranke immer erreicht. Sie hat von einigen persönlichen Erlebnissen berichtet, wo sie zunächst im alten Denken an Besonderheit geglaubt hat und schließlich in die Brüderlichkeit aufgewacht ist. Z.B. ihr Traum von einer Künstlerkarriere, bzw. ihr Bewundern von Künstlern, die es bis nach Hollywood geschafft hatten. Und dann die Einsicht: Das bin alles ich, meine Bilder, meine fehlgeleitete Liebeshoffnung. Und darin hat sie ihr wahres Hollywood gefunden.
Herr Q. hört zu, mit dieser Art totaler Konzentration, die ich von ihm kenne, wenn er ganz bei sich ist, wenn er außerhalb der Demenz steht, wenn sie keine Rolle mehr spielt. Und dann spricht er über seinen Tee (man muss wissen, dass er seit langem nichts mehr toleriert, was ihn selbst oder andere irgendwie hervorhebt, also der eigenen Geburtstag z.B. darf nur gefeiert werden, wenn alle anderen auch Geburtstag haben etc. Das geschieht aus Angst, nicht aus Einsicht in unsere Gleichheit. Das Gefühl, aus der menschlichen Gesellschaft schon längst herausgefallen zu sein, ist in Demenzkranken oft übermächtig, und Herr Q. versucht, sich mit einer Art „Gleichmacherei“ über Wasser zu halten).
Heute aber, noch während Manuela über die wahre Brüderlichkeit spricht, klingt es anders: Herr Q. lobt seinen Früchtetee und betont sehr ausführlich, dass dies das Getränk sei, das speziell ihm zusage, während andere auch gerne Kaffee oder andere Tees zum Frühstück bevorzugten. Dabei schielt er auf Manuela, wie auf eine Verbündete, im geheimen Wissen, dass Unterschiede sein dürfen, eben weil wir im Innersten Eins und Dasselbe sind. Wo ist die Demenz? Hier ist sie gerade nicht!
Danke Manuela, und danke euch, falls ihr das lest und in euren Herzen bewegt. Da ist die ganze frohe Botschaft für mich drin!
Es grüßt
Herr Q. und Michael
In allem Sein Gedanke