20.11.2007, 18:28
Inge schrieb:Was würde ich denn ohne Angst SEIN? Die Antwort kommt schnell: FREI!
Es war mir bislang nicht so sonnenklar, wie sehr ich mich vor dieser FREIHEIT fürchte! Es ist, als ob ich meiner Lebtag in einer winzigen Zelle eingesperrt war und plötzlich freigelassen werden soll -- es ist ein Schock, der mir grosse Angst einjagt, und ich würde lieber bleiben! Ich wüsste ja gar nicht, was ich ausserhalb meiner Gefängniszelle tun sollte!
Vielleicht gibt es da draussen gar nichts "zu tun", sondern einfach "zu SEIN"?
(...) Wenn einer entfesselt wäre und gezwungen würde, sogleich aufzustehen, den Hals herumzudrehen, zu gehen und gegen das Licht zu sehn, und, indem er das täte, immer Schmerzen hätte und wegen des flimmernden Glanzes nicht recht vermöchte, jene Dinge zu erkennen, wovon er vorher die Schatten sah: was, meinst du wohl, würde er sagen, wenn ihm einer versicherte, damals habe er lauter Nichtiges gesehen, jetzt aber, dem Seienden näher und zu dem mehr Seienden gewendet, sähe er richtiger, und, ihm jedes Vorübergehende zeigend, ihn fragte und zu antworten zwänge, was es sei? Meinst du nicht, er werde ganz verwirrt sein und glauben, was er damals gesehen, sei doch wirklicher als was ihm jetzt gezeigt werde? - (...)
Platon
Politeia
(Übersetzer: Friedrich Schleiermacher)
Siebentes Buch
106. a) Das Höhlengleichnis. Beschreibung der Lage der Gefangenen
Liebe Inge,
diese Angst vor der überwältigenden LIEBE GOTTES haben wir, glaube ich, alle. Sonst wäre der Kurs nicht zu uns gekommen, um uns langsam und sanft an diese unvorstellbare FREIHEIT zu gewöhnen.
Miranda