27.09.2007, 08:45
Johannes schrieb:Nächstenliebe bedeutet also z.B. nicht, auf den Nächsten (die Samariterin) zu schauen und über ihn zu urteilen, sondern zu erkennen, dass gerade dieser Nächste ebenso der "unerkannte Christus" ist, der dir nur einen Spiegel vorhält - aus Liebe.
Die Auslegung einer biblischen Geschichte und die Anwendung (auf sich; für wen wäre das Wort Gottes sonst da) sind zwei Dinge. Diese Geschichte ist nicht aufgeschrieben, um über eine bestimmte, einzelne Frau und ihr Verhalten zu unterrichten, sondern um dem dem Leser etwas aufzuzeigen - über sich, darüber, wie man als Mensch an dem Nächsten oder an dem Christus vorbeigehen kann. Die Geschichte ist ganz "menschlich" erzählt (wie Paulus öfters sagt: ich rede jetzt auf menschliche Weise, damit ihr mich verstehen könnt, nicht auf geistliche Weise). Es geht auch der Auslegung nicht um eine konkrete einzelne Frau, die vor 2000 Jahren gelebt haben mag oder nicht, sondern an dieser Geschichte etwas zu verstehen. Den Unterschied zwischen Nächstenliebe und besonderer Beziehung, das war nun mein Vorschlag.
Jeder kann in diesem Sinne der Jesus sein und jeder die Frau. Das ist der Übergang zur Anwendung der (meiner) Auslegung.
Das Neue Testament stellt, als Geschichtensammlung, unter anderem auch Fehlverhalten und Fehlwahrnehmung dar, wie der Kurs auch. Da kann es meines Erachtens nicht darum gehen, in "Urteilslosigkeit" zu erstarren, sondern an der Darstellung etwas zu begreifen. Zum Beispiel, daß die Frau indirekt über Jesus urteilt, ihn verkennt.
Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, daß der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen. Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet.
Jesus urteilt eigentlich nicht über die Frau, aber er korrigiert ihre Wahrnehmung, um mit dem Kurs zu sprechen. Und sogar das ironische "Das hast du recht gesagt" ist ja wahr und will die Frau von der Nichtigkeit der besonderen Beziehung überzeugen, wenn man die Geschichte unter diesem Thema lesen will.