Bruder

[Elisabeth]

Der Duktus ist ganz Freud, ganz Psychoanalyse, aber das darf man hier ja nicht sagen (jetzt werd ich bestimmt auf Moderation gesetzt).

es ist mir nicht ganz klar, was du mit hier meinst.
Helen Schucman war u.a. eine Freud'sche Psychotherapeutin, soweit ich mich erinnern kann; ihre Sprache (also gewissermassen das "Kleid" der Kursniederschrift) ist entsprechend gefärbt, so wie sie auch "Shakespearian" gefärbt ist (sie liebte seine Werke).

Die Textstelle, die Siboa hier zitiert, ist ja gar nicht aus dem Kurs, sondern von Wapnick (der allerdings auch Psychotherapeut ist). Ich habe die meisten Bücher von Wapnick erst nach 5 Jahren Kurslernen gelesen, und es war für mich eine sehr große Hilfe. In der hier zitierten Textstelle sagt er ja nicht einfach "wenn du mit jemandem ein Problem hast, dann erinnere dich daran, dass er der SOHN GOTTES ist", oder "schau nicht mit dem Ego, sondern schau mit dem HEILIGEN GEIST". Ich bin so oft verzweifelt, wenn ich dabei nur vergeblich versucht habe, Gefühle zu unterdrücken, die sich dadurch nicht geändert haben, oder vergeblich darauf gewartet habe, dass der HEILIGE GEIST meine Arbeit für mich macht. Ganz so einfach ist das aber nicht mit dem "Abgeben", das kann halt auch auf ein bloßes Wegschieben hinauslaufen: Hauptsache nicht mehr dran denken, egal, wie es dann im Untergrund weiter glost. Irgendwo im Kurs wird sogar ausdrücklich gesagt, dass wir für unsere Angst (und somit alle negativen Gefühle) selbst verantwortlich bleiben (ich find die Stelle jetzt nicht, such aber noch). Der HEILIGE GEIST ist keine Sperrmüllabfuhr, die man nur anrufen muss, und schon ist alles weg, was im Weg war, und die Erklärung, dass mein Bruder der SOHN GOTTES ist, hat bei mir noch nie einen Groll einfach so weggewischt.

Gerade in der Stelle, die Siboa herausgesucht hat, zeigt Wapnick einen Zugang, der eigentlich ein therapeutischer ist. Das sind konkrete Schritte, die ich machen kann, damit kann ich arbeiten. Dass "Projektion" ja ursprünglich ein Fachausdruck der Psychoanalyse ist, war mir bis dahin beim Kurslesen gar nicht aufgefallen. Das sprang mir erst ins Auge, als ich sah, wie Wapnick damit umgeht. Das war für mich ein ganz großes Aha-Erlebnis und eine Hilfe, für die ich sehr dankbar bin.

Falls dir nicht bereits bekannt: es gibt ein kleines Begleit-Büchle zum Kurs "Psychotheray: Purpose, Process and Practice -- An Extension of the Principles of A Course in Miracles." Vielleicht interessiert dich das?

Ich habe diese Ergänzung zum Kurs gelesen, und da wird schon klar, dass man in die Irre geht, wenn man den Bezug zu Freud zu weit treibt. Das Fundament, auf dem Freuds Theorie steht, ist überhaupt nicht mit dem Kurs vereinbar, und auch die Auffassung von Krankheit und Heilung sind ganz anders.

Elisabeth