25.07.2011, 13:28
(25.07.2011, 12:33)Lui schrieb: Gregor:
Zitat:Nicht die "Tatsachen" werden unter den Tisch gekehrt, sondern die "Wirklichkeit" dieser Tatsachen wird in Zweifel gezogen.
...in Bezug auf die "Wahrheit" deiner Bewertungen und Beurteilungen dieser Tatsachen. Und damit in Bezug auf DAS, was DU BIST.
Ich glaub ich hab eine Blockade. Ich verstehe das nicht.
Nicht die Tatsache, sondern die Wirklichkeit der Tatsache? Kann im Moment nicht den Unterschied erfassen.
Die Tatsachen bleiben bestehen? Nur meine Beurteilung der Tatsachen ist falsch? Und ich bin meine Beurteilungen? Und die sind nicht wahr? und damit auch ich nicht? Und dann natürlich auch das nicht, was ich meine zu sehen. - Dreht es sich nicht im Kreis? Denn am Ende steht dann wieder: Die Tatsachen sind nicht wahr.
Die Nazi-Zeit habe ich nicht miterlebt, ich kenne sie vom Hörensagen. Daher nutze ich mal ein (für mich) handgreifliches Beispiel intergalaktischer Grausamkeit:
2005 war ich nach Beendigung des Bürgerkriegs in Sierra Leone vor Ort. Die RUF (Revolutionary United Front) hatte die "nette" Angewohnheit, Menschen die Hände abzuhacken, damit sie nicht mehr wählen können. Neben der unglaublichen Armut war also das Stadtbild von Freetown geprägt durch Menschen, denen eine oder alle beide Hände fehlten.
Diese Tatsachen waren direkt sichtbar. Den Blick abzuwenden, zu verleugnen, dass diese Grausamkeit geschehen ist oder die Wahrnehmung umzudeuten ("alles Unfälle von Sägewerksbesitzern") - das ist unwürdige Verleugnung und hat nichts mit Spiritualität zu tun. Das Mitgefühl zu unterdrücken, weil ja "nichts geschehen" ist, ist ebenfalls kein sinnvoller Weg.
Aber zeigt mir meine Wahrnehmung die Wahrheit? Es gibt Gründe, das anzuzweifeln. Ist die Welt der Körper, des Angriffs und der Verteidigung mit allen Grausamkeiten für mich wahr, dann zeigt mir auch meine Wahrnehmung die Wirklichkeit. Gibt es einen leisen Zweifel an der Wirklichkeit der wahrgenommenen Tatsachen, habe ich die Möglichkeit, um eine andere Sichtweise zu bitten, ohne diese vorweg zu nehmen.
Und dieser Zweifel besteht: JETZT besteht die damalige Wahrnehmung nur aus Erinnerungen, aus Bildern, die ich im Gedächtnis abrufen kann. Damals bestand sie aus Bildern vor meinen Augen, und diese sind erfahrungsgemäß nicht unbedingt der Garant für die Wirklichkeit. Und da ich dieses "ich", das alles dieses wahrnimmt oder erinnert, einfach nicht greifen kann und selbst einen aufkommenden Gedanken nicht zu seiner Quelle zurückverfolgen kann, zweifle ich auch an der "Tatsache", dass diese ganzen Überzeugungen über Körper und "ich" wahr sind.
So ist es naheliegend, um eine andere Sichtweise zu bitten. Was mich nicht daran hindert, Mitgefühl und Trauer zu empfinden oder das zu tun, was in der gegebenen Situation geboten ist. Letzteres wird sich aus der "alten" oder der "neuen" Sichtweise ergeben, denn Handlung entspringt immer der jeweiligen Sichtweise, also dem, was ich gerade für wahr halte.
Gregor