Zum Thema "Meditation"

[Stephan]

Um den Thread "Hindernisse" nicht ins Uferlose auszuweiten, fange ich jetzt mal einen neuen an zum Thema "Meditation" aus meiner persönlichen Erfahrung. Das kann vielleicht für den einen oder die andere hier hilfreich sein.
Wenn man noch ganz in der Welt gefangen ist und sie für die wahre Wirklichkeit hält, kann es ganz sinnvoll sein, sich von Zeit zu Zeit aus ihr zurückzuziehen und ganz zu sich selbst zu kommen und die Stille im Grund des eigenen Seins zu erfahren.
Das wird aber zu Falle, wenn man meint, das wäre nun die wahre Wirklichkeit. Sie ist es und sie ist es auch nicht. Sie ist es nicht, solange die Erfahrung der Stille noch bedingt ist, d.h. man glaubt, man müsste bestimmte äußere Bedingungen schaffen oder bestimmte Praktiken anwenden, um sie zu erfahren. In Wahrheit ist die Stille stets gegenwärtig, völlig unabhängig von unserem Tun und Lassen.
Hinzu kommt noch, dass eine durch Vermeiden äußerer Reize und durch Stillstellen der Gedanken und des Willens erzeugte Stille das Ego im Unterbewussten weiter existieren lässt wie bisher. Man erreicht ein scheinbar friedliches, selbstgenügsames Ich, das sich aber immer noch als autonom und letztlich sogar als unerschaffen und ewig wähnt. D.h. das ist nichts anderes als das Ego und nicht das wahre Selbst.
Spätestens bei der Rückkehr in die Welt/in den Alltag kommt wieder zu Tage, was tatsächlich der Fall ist. Da gibt´s dann wieder Konflikte mit anderen, da passt mir dies oder jenes nicht, Fragen und Unruhe treten auf, am liebsten würde ich mich wieder in die schöne Stille zurückziehen, wo es so friedlich war ...
Deshalb "liebe" ich auch als Kontemplationslehrer den Kurs so sehr. Denn er macht uns darauf aufmerksam, dass der Alltag der eigentliche Ort der Praxis und der Prüfung ist, ja eine wunderbare Hilfe zum Loslassen des Egos ist. Nicht dass der Kurs die einzige Geistesschulung wäre, wo dies gelehrt und praktiziert würde, aber bis jetzt habe ich noch kein System gefunden, wo dies so im Mittelpunkt steht und der metaphysische und spirituell-psychologische Hintergrund der Praxis der Vergebung und diese selbst so klar beschrieben wären.
Tiefe Dankbarkeit erfüllt mich, dass ich auf meinen Wanderungen durch die verschiedenen spirituellen Schulen und Lehren immer wieder auf den Kurs gestossen bin und ihn immer wieder neu und tiefer schätzen lernen durfte.

Stephan

[Helga]

Danke für deinen Beitrag lieber Stephan!
Nach jahrelangem "Sitzen", nach Zeiten der Weltflucht, des sich fremder und fremder fühlens, hat sich seit dem Kurs mein Leben sehr verändert.
Dazu haben auch die Beiträge hier im Forum wesentlich beigetragen.
Danke an Alle!

Das Leben, den Alltag zur Meditation werden lassen, das kann eine große Hilfe sein.
Der Kurs ist für mich dabei unentbehrlich.

Helga

[Michaela_Maria]

Ja, Stephan, das kenn ich gut.
Allerdings nicht aus eigener Erfahrung, ich bin im Stillsitzen nicht so gut (bis jetzt) - aber von erfahrenen "Meditierern", wo ich mich dann immer gewundert habe, wieso dies und wieso das und wieso das
und deshalb hab ichs dann auch gelassen (gute Ausrede, ge?)

[6stesKind]

dass der Alltag der eigentliche Ort der Praxis und der Prüfung ist,

Das stimmt immer und immer wieder. Deswegen hab ich mich mal vor einigen Tagen schlau gemacht was Kontemplation wirklich heißt und das kann man wunderbar in den Alltag - da denk ich an deine Geschichte mit dem aufräumen - intergrieren. Sofern man sich daran erinnert.

Gruss
Romy

[vittella]

Sie ist es und sie ist es auch nicht. Sie ist es nicht, solange die Erfahrung der Stille noch bedingt ist, d.h. man glaubt, man müsste bestimmte äußere Bedingungen schaffen oder bestimmte Praktiken anwenden, um sie zu erfahren. .

das finde ich ein wichtiger Punkt, diese Bedingtheit....

Tiefe Dankbarkeit erfüllt mich, dass ich auf meinen Wanderungen durch die verschiedenen spirituellen Schulen und Lehren immer wieder auf den Kurs gestossen bin und ihn immer wieder neu und tiefer schätzen lernen durfte.

geht mir genauso, egal wo ich wieder auf Umwegen bin, lande ich wieder beim Kurs und irgendwann brauchts wohl auch das Buch dazu nicht mehr....

[maedl01]

Ich kann mich nur anschliessen, was Stephan und alle anderen bisher geschrieben haben. Egal wo ich war, was ich gemacht habe, der Kurs kam immer wieder zu mir. In der Zeitrechnung für diese Welt, hat das superlange gedauert bei mir, aber nun ist der Kurs in meinem Leben und ich praktiziere ihn auch, soweit ich es in meinem Zustand zulasse. Das faszinierende ist, dass ich das Gefühl habe, immer wenn ich kurz davor bin eine Lektion in Wahrheit anzunehmen, dass mein EGO noch mal völlig am Rad dreht und total durchdreht. Es ist dann meistens eine sehr schwierige "Zeit", aber auch für mich ein guter Indikator, dass wieder ein bischen mehr Frieden zu mir kommt.

[Elisabeth]

Hallo allerseits!

Danke Stephan für den neuen Thread und das klärende Eröffnungsstatement.

Was das Meditieren berifft: Meine Sympathien gehen ziemlich in Richtung Therevada-Tradition, und ich habe einige Zeit vor dem Kurs meditiert, hauptsächlich Vipassana, dafür ist der gebräuchliche deutsche Ausdruck Achtsamkeitsmeditation, glaube ich. Es geht halt darum, eine Beobachterposition gegenüber den eigenen Bewußtseinsinhalten aufrecht zu halten, sich nicht mit ihnen zu identifizieren, aber sie auch nicht "unbeaufsichtigt" dahin treiben zu lassen. Man ist sich dann sehr bewußt, was man die ganze Zeit tut, wie oft man urteilt, plant, träumt, welche Gefühle man hat, aber man verwechselt sich nicht mit den eigenen Gefühlen, Gedanken und Urteilen. Man stellt dann fest "da ist Zorn", und das ist eben nicht dasselbe wie zornig sein.

Als ich mit dem Kurs anfing, fand ich die Übungen schwer vereinbar mit der Art von Meditation, die ich gewohnt war. Erstens, weil die Übungen verbal sind, die ganze Kurswelt ist ziemlich verbal. Und weil man beim Kursüben ziemlich direktiv mit dem eigenen Bewußtsein umgeht, man lenkt und greift ein, und auch wenn man IHN lenken und eingreifen läßt, ist das alles viel manipulativer als das Meditieren, das ich kannte. Ich habe dann aufgehört zu meditieren und nur noch den Kurs gemacht.

Aber nach einigen Jahren merkte ich, dass ich ziemlich abgehoben hatte, die meiste Zeit mental nicht da war (wenn doch ohnehin alles gleichermaßen Illusion ist, die sogenannte Realität genauso wie meine erfundenen Gedankenwelten....). Ich bekam nachdrückliche Ermahnungen von oben (HG), ER brüllte zuletzt fast schon, dass ich aufhören muss mit diesem Unsinn, und irgendwann riss ich mich dann am Riemen und fing wieder an zu meditieren, parallel zum Kurs. Aber es spießt sich, nicht mit dem Inhalt des Kurses, aber mit den Übungen. Eines von beidem mache ich immer halbherzig, entweder das Meditieren oder das Kursüben.

Beim Meditieren wie beim Kurs war es mir von Anfang an wichtig, wie ich das in meinen Alltag hinein nehme. Wenn ich jeden Morgen meine Meditationsübung mache, fällt es mir auch tagsüber leichter, nicht volle Wucht in jede Egofalle zu rauschen, und wenn es doch passiert, das möglichst schnell zu sehen und mich wieder zurückzurufen. Das totale Wegdriften passiert zwar noch, aber die Ausflüge werden immer seltener und kürzer. Es gibt offenbar so etwas wie einen Achtsamkeitsmuskel, der verkümmert, wenn man ihn lange Zeit nicht trainiert, und der umso genauer und verläßlicher funktioniert, je geübter er ist.

Den Kurs werde ich trotzdem nicht beiseite legen. Aber ich möchte jetzt eine Weile anders mit dem Text umgehen als bisher. Ich war immer sehr nah dran, eher sogar im Text drin als dran und habe alles sehr anwendungsbezogen gelesen. Die eindringlich appellierende Sprache und das direkte Angesprochenwerden als "du" im Text macht es ja dem Leser nicht gerade leicht, Distanz zu wahren. Trotzdem fühlt es sich jetzt richtig für mich an, in eine andere Art von Dialog zum Text zu treten, reine Verständnisfragen an ihn zu richten, nicht "wie soll ich leben?", sondern nur: Was steht da eigentlich? Was genau sagst du? Und ich werde mich dabei von niemandem beeinflussen lassen, nicht von Wapnick und nicht vom Forum.

Heute habe ich probeweise versucht, ein Stück Text so zu lesen, zufällig das Kapitel "Die Gesetze des Chaos", und ich habe Tränen gelacht. Hatte ich bisher gar nicht bemerkt, wie viel Humor in diesem Buch steckt? Oder hab ich es vergessen?

Naja, das ist jetzt ein Experiment. Mal sehen wohin es führt.

Elisabeth

[Gregor]

Erstens, weil die Übungen verbal sind, die ganze Kurswelt ist ziemlich verbal.

Das trifft auf den Teil I des Übungsbuches zu.

Teil II (ab Lektion 220) ist reine Kontemplation jenseits der Worte (siehe Anleitung zu Teil II). Dieser Teil lässt auch Techniken wie Achtsamkeitsübungen hinter sich. Die kurzen Statements dienen einzig und alleine der "Einstimmung".

Teil I ist ein Sammelsurium unterschiedlicher bekannter und unbekannter Techniken. In Teil II haben alle Techniken keinen Platz mehr, das geht's ins "Eingemachte".

Gregor

[Elisabeth]

Teil II (ab Lektion 220) ist reine Kontemplation jenseits der Worte (siehe Anleitung zu Teil II). Dieser Teil lässt auch Techniken wie Achtsamkeitsübungen hinter sich. Die kurzen Statements dienen einzig und alleine der "Einstimmung".

Das stimmt schon, aber der Einstieg ist eben doch verbal, und sehr tief war dann meine Kontemplation nie. Ich hatte auch Schwierigkeiten mit der Gebetform, dem plötzlichen Schwenk von einem völlig abstrakten GOTT, der nichts von der Welt weiß, zu einem sehr persönlichen Vater, diese Kurve hab ich nie ganz gekriegt. Bin wohl noch nicht wirklich bereit, mich darauf so einzulassen, wie es gemeint ist.

Elisabeth

[Stephan]

Trotzdem finde ich, dass Meditation durchaus parallel zum Kurs laufen kann...und keines das andere wirklich auszuschliessen hat, solang wir uns gewahr sind, was wir tun....

Natürlich. Gut, dass du darauf hingewiesen hast. Ich wollte auch nicht so verstanden werden: Kurs contra Meditation.
Gregor hat ja auch klar auf die reine Kontemplation ab Übungsbuch Teil II hingewiesen (Danke für diesen klärenden Hinweis). Auch das "Lied des Gebets" ist eine wirklich wunderbare Einführung in das kontemplative Gebet bzw. die Kontemplation.
Im Übrigen, wie sollte auch jemand aufhören zu meditieren, wo doch die Kontemplation einfach da ist, ob nun beim In-Stille-Dasitzen, beim Abspülen, beim Radfahren, beim TV-Schauen, beim Schreiben ... Da besteht kein Unterschied. Die ganze Welt ist in Kontemplation.
Nur ich glaube manchmal noch, dass es doch noch etwas anderes zu finden und zu geniessen geben muss

Stephan