Ego-Projektionen - wie geht man damit um?

[Pete]

Hallo allerseits!!

Ich habe eine Frage von der ich hoffe das ihr mir helfen könnt .

Ich praktiziere den Kurs intensiv seit einigen Jahren und doch habe ich immer mal wieder Schwierigkeiten seine Ideen in mein tägliches Leben zu integrieren...

In diesem Fall geht es um folgendes:

Wie wir ja alle wissen, verurteilen wir im Namen der Gerechtigkeit und der Wahrheit unbewusst in anderen die Schuld, die wir in uns selbst verleugnen (Keneth Wapnick, "Die Vergebung und Jesus", S. 213). Wenn ich Ärger, Unverständnis, Enttäuschung oder sonstige Formen der Angst in mir fühle, versuche ich prinzipiell die dafür verantwortlichen Konzepte aufzudecken, damit ich sie mir ansehen und vergeben kann. Der Rest ist dann Sache des HG.

Wie aber geht man mit den Projektionen Anderer um, speziell dann, wenn sie keine Kurs-Schüler sind und es dadurch schwierig bis unmöglich ist, die für die Projektion verantwortliche Konzepte bzw. die dahinterliegende Schuld offenzulegen und gemeinsam anzuschauen? Der Kurs sagt klar, dass der HG die Projektion eines Bruders als einen Ruf nach LIEBE deutet und das wir ihm genau die LIEBE geben sollen, die er meint nicht zu verdienen. Wie aber macht man das konkret? In solchen Momenten erwartet das Gegenüber oftmals eine konkrete Antwort auf seine Projektion. Selbst wenn ich genau weiss, welches Schuldgefühl für die Projektion verantwortlich ist, fällt es mir doch oft sehr schwer mit der Situation umzugehen.

Zum einen will ich nicht die mit der Projektion verbundene Schuldzuweisung annehmen und mich verteidigen. Zum anderen sehe ich mich nicht immer fähig der Beantwortung aus dem Weg zu gehen oder meinem Bruder klar zu machen, dass das Problem in Wahrheit ein anderes ist. Auch will ich nicht meinerseits anfangen zu projizieren, eine Versuchung, die ich in solchen Momenten immer mal wieder spüre...

Deshalb....wie geht ihr mit solchen Situationen um? Was könnt ihr mir raten?

ALLES LIEBE, LIEBE ALLES

p

[667]

Hallo Pete,

so wie ich den Kurs verstehe, führst du gerade ein fröhliches Selbstgespräch. Wenn es nur einen Sohn gibt, dann ist "niemand da draußen". Was du erlebst, ist deine Projektion und wie du als Kursschüler damit lernen sollst umzugehen, ist immer gleich:

Illusionen sind nicht wahr. Sieh deinen Bruder als vollständig erlöst, dann bist du erlöst.

In deiner konkreten Situation hilft mir noch immer der Trick, den Johannes ausführlicher beschrieben hat:

Stell dir vor, alle deine Brüder sind erlöst und sie spielen für dich ihre Rolle damit du sehen kannst, dass auch du bereits erlöst bist.

Liebe Grüße
ich

[Inge]

Pete,
...oder ein bisschen anders herum: wenn du das, was du in deinem Bruder zu sehen glaubst (bedenke: es ist lediglich DEINE Interprätation, was du siehst), URTEILSLOS betrachtest, folgt die Vergebung wie von selbst: es verbleibt dann ja gar nichts! Und da wir und unsere Brüder EINS sind (wie der Kurs -- und 667 -- sagt), vergeben wir uns selbst in diesem Augenblick das, was wir fälschlicherweise zu sehen geglaubt haben.
Vergiss nicht: dieser Vorgang spielt sich in aller Stille in DEINEM GEIST ab; der "andere" weiss/hört davon nichts. Allerdings wird vermutlich dein Verhalten dem Bruder gegenüber ein anderes werden...
-inge

[melachi]

Hallo Ihr Lieben,

Eure Beiträge habe ich mir in einen meiner Ordner für besondere Schriften kopiert, um sie bei entsprechender Situation, schneller griffbereit zu haben.

Sie haben mich sehr berührt.

Liebe 667, ich spüre ganz deutlich, dass sich in Dir, in letzter Zeit, einiges bewegt hat. Und das ich ganz deutlich empfangen habe.

Vergebe mir, wenn es geschleimt rüberkommt. Aber es musste gesagt werden.

In aller Liebe

[Gregor]

Zum einen will ich nicht die mit der Projektion verbundene Schuldzuweisung annehmen und mich verteidigen. Zum anderen sehe ich mich nicht immer fähig der Beantwortung aus dem Weg zu gehen oder meinem Bruder klar zu machen, dass das Problem in Wahrheit ein anderes ist. Auch will ich nicht meinerseits anfangen zu projizieren, eine Versuchung, die ich in solchen Momenten immer mal wieder spüre...

Da gibt es diese schöne alte Zen-Geschichte:

In einem kleinen Dorf steht ein Zen-Kloster mit einer Reihe von Schülern. Eines Tages wird die Dorfschöne schwanger. Und da es für Sie unmöglich erscheint, den wahren Rittmeister offen zu legen, behauptet sie einfach, der alte Meister sei es gewesen.

Die Dorfgemeinschaft ist erbost, man rottet sich vor dem Kloster zusammen und beschimpft den Lüstling ziemlich lautstark. Seine Antwort lautet: "So so."

Das Kind wird geboren, die Dorfgemeinschaft bringt es zum Kloster und verlangt, dass der Meister sich gefälligst um die Aufzucht seiner Brut zu kümmern habe. Er quittiert dieses mit: "So so."

Seine Schüler verlassen ihn nach und nach, denn bei einem solchen Meister ohne jedes moralische Gewissen können sie nicht bleiben. Und so ist er eines Tages alleine mit dem Kind, das er aufzieht, sieht sich in seinem nun leeren Kloster um und sagt sich: "So so".

Die Dorfschöne packt das schlechte Gewissen, dass sie den alten Meister so verleumdet hat, und unter Tränen gibt sie den tatsächlichen Vater preis. Das Dorf ist bestürzt. Alle versammeln sich bei dem alten Meister, entschuldigen sich viele tausend mal, nehmen sich selbstverständlich des Kindes an und unterstützen ihn fortan großzügig. Er sagt dazu:

"So so."

Gregor

[Gast]

Ok Ihr Lieben,

danke für die Antworten! Ich freue mich sehr über Eure Beteiligung

@667:
Mir ist klar das ich in solchen Momenten ein - wie du es so schön nennst - fröhliches Selbstgespräch führe. Ich vergebe es mir ja auch fast immer im selben Augenblick. Trotzdem habe ich es oft erlebt das mein Bruder eine Stellungnahme von mir möchte - ich also quasi von mir selbst eine Stellungnahme möchte - er meine kursadäquate Reaktion nicht versteht und es so aussieht als gebe es kein miteinander....

@Inge: Auch lösst meine stille Vergebung und meine dadurch veränderte Reaktion nicht immer die Situation auf, sondern verstärkt sogar manchmal die Projektionen meines Bruders, weil er sich nicht angenommen fühlt. Ich kann zwar schon sagen das schweigende Vergebung oft die beste Reaktion ist und eine Situation in unerwartet liebevolle Bahnen lenken kann . Aber eben nicht immer...

@Gregor: Deine Zen-Geschichte finde ich in diesem Zusammenhang sehr anschaulich und treffend ...trotzdem fühle ich mich nicht immer fähig mich in einer entsprechenden Weise zu verhalten...als wäre "so,so" nicht das was mein Bruder in diesem Moment bräuchte...(was ist nur am besten für mich...jaja...ich weiss )

Ok, ich glaube ich möchte Eure Antworten noch ein wenig sinken lassen...nochmal vielen Dank an alle

Bis später

Pete

[667]

Lieber Pete,

was ist denn eine "kursadäquate reaktion"?

Liegt da vielleicht der Hund begraben?

Wenn ich merke, dass ich mich geirrt habe, dann reagiere ich höchst unterschiedlich... mal mit Rückzug, mal mit einer Entschuldigung, mal mit Gegenangriff... es gibt keine RICHTIGE Reaktion (mehr)...

Gregor sagt immer mal wieder:

wenn der Pfeil die Sehne verlassen hat, ist es eh zu spät.

das hält mich dennoch nicht ab, immer wieder und gerade solche Situationen dem HG zur "Beschau" zu überlassen und um Vergebung der Situation zu bitten... wie sich das dann schlussendlich durch IHN löst, ist so unterschiedlich wie die Situationen, durch die ich es gesehen habe...

Liebe Grüße
ich

[667]

Liebe 667, ich spüre ganz deutlich, dass sich in Dir, in letzter Zeit, einiges bewegt hat. Und das ich ganz deutlich empfangen habe.

Oder hat es sich in dir bewegt?

Vergebe mir, wenn es geschleimt rüberkommt. Aber es musste gesagt werden.

In aller Liebe

Keine Bange, kommt bei mir sehr ehrlich und kein bißchen "geschleimt" an... also gibts nix vergeben zu lassen :-)

Danke dir für deine Zuversicht in mich...

Liebe Grüße
ich

[Gregor]

...als wäre "so,so" nicht das was mein Bruder in diesem Moment bräuchte...

"So so" ist auch keineswegs als Vorschlag für eine Standardreaktion gemeint, im Gegenteil, das könnte sehr provozierend wirken! Es bringt in dem Beispiel eine Geisteshaltung zum Ausdruck, nicht eine Handlungsweise.

Dein entscheidender Satz lautet: "als wäre ... nicht das was mein Bruder in diesem Moment bräuchte". Klingt so, als wüsstest du, was er braucht. Du weißt es aber nicht. Niemals. Und bist niemals in der Lage, eine angemessene Reaktion auszuwählen. Wählst du eine Reaktion, hast du dich eingemischt.

ER reagiert. Du drückst es nur aus. Oder mischst dich ein.

Gregor

[Inge]

@Inge: Auch lösst meine stille Vergebung und meine dadurch veränderte Reaktion nicht immer die Situation auf, sondern verstärkt sogar manchmal die Projektionen meines Bruders, weil er sich nicht angenommen fühlt.

Dazu würde ich sagen: woher willst du denn wissen, was "die Projektionen deines Bruders" sind? Nur deine eigenen sind von Interesse für dich. Seine Projektion mag völlig anders aussehen als die deinige...und seine ist ganz einfach none of your business!

Ich kann zwar schon sagen das schweigende Vergebung oft die beste Reaktion ist und eine Situation in unerwartet liebevolle Bahnen lenken kann . Aber eben nicht immer...

Du sprichst von "Reaktion". Eigentlich geht's um Wahrnehmung. Das, was du in deinem Bruder wahrzunehmen glaubst, ist nichts weiter als eine Reflektion deiner eigenen (verborgenen) Gedanken (also eine Projektion deinerseits). Vielleicht führt diese Verwechslung zu deinem Trugschluss, er fühle sich nicht angeommen. Ist es nicht vielmehr so, dass DU (noch) nicht bereit bist, das in dir zu sehen/akzeptieren, was er dir widerspiegelt (also was du in ihm zu sehen glaubst)? Nimm's einfach wahr, ohne Urteil, ohne Verdammung ("So so!") -- und du wirst staunen, was sich tut (ohne dein Dazutun!). All deine Erwartungen, wie das "Resultat" ausfallen soll, verbauen dir bloss den Weg...