Was ist ein Wunder?

[Elisabeth]

Die Sehnsucht nach einem externalen Gott u. dessen mächtigen Hilfehandlungen, ist zu tiefst im Menschlichen Denken angesiedelt, aber nicht die "gute Nachricht", die uns der Kurs lehrt.

Das, was hier wie die Rede von einem externalen Gott klingen kann, ist doch nur symbolisch. Der Punkt ist die Bereitschaft, sich helfen, führen, lehren zu lassen, abzugeben.


Ich würde gern mal ein Beispiel dafür erzählen, was ich in meinem Alltag gewohnheitsmäßig und ohne viel Nachdenken „Wunder“ nenne.
Ich arbeite zeitweise als Taxifahrerin im Nachtdienst, und das ist ein Milieu, in dem es manchmal etwas rauer zugeht. Kollegen schnappen sich gegenseitig Funkaufträge oder sogar Autos weg, manchmal wird einem Fahrer das auch zu Unrecht unterstellt, und die Funkzentrale hat viele Möglichkeiten, mit einzelnen Fahrern entweder zu kooperieren oder sie zu schikanieren. Da war dann mal so eine Nacht, ich war unausgeschlafen und erkältet, es hatte mal wieder Streit gegeben, ich fühlte mich sehr ungerecht behandelt und wälzte das im Kopf herum. Es war mir klar, dass ich die Dinge vom Schlachtfeld aus sah, und dass das zu nichts führt, aber es gelang mir einfach nicht, die Perspektive zu wechseln, ich war wie einbetoniert. Also bat ich IHN um Hilfe.

Kurz darauf kam ein Funkauftrag rein, und ich holte drei junge Mädchen so um die 18 von einer Reihenhaussiedlung am Stadtrand ab und brachte sie zu einem Maskenball. Sie waren aufwändig und ziemlich originell kostümiert, und die Vorfreude auf das Fest war ihnen anzumerken. Kaum saßen sie im Auto, begannen sie, Hits zu singen, Lady Gaga und so. Sie machten das offenbar öfter, denn sie waren gut aufeinander eingestimmt und konnten auch erstaunlich viel Text auswendig. Aber sie zeigten dabei keinerlei Pop Star Ambitionen, sie sangen so, wie Kinder ein Weihnachtslied singen, so, wie man im Schulchor „schön singen“ lernt, was natürlich bei dieser Art von Songs nicht ohne Komik war. Manchmal experimentierten sie damit, Eigenheiten der Aussprache oder Intonation im Originalsong (z.B. das „rraa rraa“ mit dem rollenden R von Lady Gaga) ganz genau nachzumachen, was dann von Kicheranfällen begleitet war. Ich konnte mich der Ansteckung nicht lange entziehen, musste zuerst grinsen, dann lachen, und am Ende der Fahrt schüttelte es mich vor Lachen. Die Mädels müssen gespürt haben, dass in meinem Lachen kein Spott war, denn sie legten sich noch mehr ins Zeug und sangen während der ganzen Fahrt weiter.

Danach hatte ich das Gefühl, dass über der ganzen Welt ein Schmunzeln liegt, und die Streitereien, die mich eine halbe Stunde vorher noch so bedrückt hatten, waren belanglos, kein Grund mehr, einen Gedanken darauf zu verschwenden. Ich war wieder über dem Schlachtfeld, aber ich selbst hatte zu diesem Wechsel der Perspektive nichts beigetragen, es war ein Geschenk. Ein Wunder eben. Der Rest der Nachtschicht ging mir dann leicht von der Hand, und es kamen auch keine neuen Streitereien mehr auf. Irgendein Knoten hatte sich gelöst.

Ich bin ziemlich sicher, dass die drei Mädchen keinen Schimmer von einer Ahnung haben, welche Wirkung sie auf mich hatten, und dass sie bei mir unter „Wunder“ laufen. Wahrscheinlich wissen wir nie, wann welche Wunder durch uns gewirkt werden, aber es sind wohl eher nicht unbedingt die Situationen, in denen wir „Gutes tun“.


Elisabeth